Messung der intrazelluläre Sauerstoffverteilung

Mikroskopie

Ratiometrische Messung der intrazellulären Sauerstoffverteilung

Vom Zellstoffwechel bis hin zur Krebsforschung – die Kenntnis der Sauerstoffverteilung in einer Zelle trägt zum Grundverständnis entscheidender zellulärer Prozesse bei und könnte die Krebsdiagnostik erleichtern. Eine neue ratiometrische Technik basiert auf speziellen Indikatorkügelchen.
Sauerstoff ist lebensnotwendig für die meisten Lebewesen, einschließlich des Menschen. Die Verfügbarkeit von Sauerstoff ermöglicht Atmung und Stoffwechsel in jeder einzelnen Zelle. Um diese Schlüsselprozesse besser zu verstehen, ist ein lokaler Nachweis von Sauerstoffverteilung und -verbrauch in den Zellen erforderlich.

Herkömmliche Messmethoden für Sauerstoff, wie etwa die Clark-Elektrode sind jedoch zu groß für intrazelluläre Messungen und erlauben zudem nur punktuelle Messungen. Als Alternative werden molekulare Indikatoren verwendet, deren Lumineszenz in Gegenwart von Sauerstoff gelöscht wird, sodass sich die Sauerstoffkonzentration durch die Intensität der Lumineszenz bestimmen lässt: Je mehr Sauerstoff vorhanden ist, desto geringer ist die Lumineszenz des Indikators.
Solche Indikatoren werden nicht nur für Sauerstoff, sondern beispielsweise auch für den Nachweis von Protonen (pH-Wert), Ca2+, Mg2+ und anderen Metallionen verwendet. Nach Einschleusen in die Zellen können die Indikatoren mithilfe eines Mikroskops beobachtet werden, haben aber den Nachteil, dass sie an Zellbestandteile binden, was die Messung erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.
Diese Einschränkungen molekularer Sauerstoff-Indikatoren wurden umgangen, indem der empfindliche Sauerstoff-Indikator Platin(II)-meso-tetrakis-(pentafluorphenyl)porphyrin (PtTF20PP), (s. Abb. 2), in Polystyrolkügelchen mit einem Durchmesser von 100 nm oder 500 nm eingeschlossen wurde. Darüber hinaus wurde ein Derivat von 4-Amino-1,8-naphtalimid als Referenzfarbstoff verwendet, der gegenüber Sauerstoff unempfindlich ist. Solche Indikatorkügelchen werden im Englischen auch als „PEBBLEs” (Probes Encapsulated By Biologically Localized Embedding) bezeichnet (s. Abb.). Aufgrund seiner Hydrophobie eignet sich Polystyrol gut zur Einbettung der beiden hydrophoben Farbstoffe. Die Oberfläche der Polystyrolkügelchen trägt Aminogruppen, sodass sie gut in Wasser dispergierbar* sind. Polystyrol ermöglicht die selektive Diffusion von Sauerstoff und schützt die Farbstoffe vor Interaktionen mit Protonen oder Zellbestandteilen, die das Signal der Farbstoffe beeinflussen könnten. Sauerstoff-Indikator und Referenzfarbstoff können beide mit blauem Licht angeregt werden, unterscheiden sich aber in ihrer Lumineszenz. Die rote Lumineszenz des Sauerstoff-Indikators und die grüne Lumineszenz des Referenzfarbstoffs werden auf zwei getrennten Kanälen digitaler RGB-Kameras aufgenommen. Die Indikatorkügelchen werden dementsprechend als „RGB-PEBBLEs“ bezeichnet.
Weil nur ein einziges RGB-Foto ohne Verwendung einer komplizierten Anordnung von optischen Filtern nötig ist, um die Sauerstoffverteilung zu erfassen, ist die neue Sensortechnologie ideal für die Verwendung mit einer einfachen Laborausstattung geeignet. In einem RGB-Bild können die Helligkeitswerte des roten Kanals und des grünen Kanals, die die Lumineszenz des Indikators bzw. des Referenzfarbstoffs wiedergeben, aufgeschlüsselt und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Solche so genannten ratiometrischen Messungen sind unempfindlich gegenüber der Intensität der Lichtquelle, der Sensitivität der Kamera und der Menge der RGB-PEBBLEs.

Indikatorkügelchen bestimmen den Zellstoffwechsels

Die Indikator-Kügelchen werden von Zellen aufgenommen und können anschließend unter dem Mikroskop beobachtet werden. Die Indikatorkügelchen reagieren innerhalb von Sekunden auf Änderungen in der lokalen Sauerstoffkonzentration, sodass sie in Zukunft zur Bestimmung des Zellstoffwechsels und der Zellatmung eingesetzt werden können.
Erste Messungen liefern Hinweise, dass Sauerstoff in Zellen ungleichmäßig verteilt ist, was auf Zellbereiche hindeutet, an denen der Sauerstoffverbrauch schneller ist als die Diffusion von Sauerstoff. Solche Bereiche sind zum Beispiel um die Mitochondrien herum vorstellbar, von denen in jeder Zelle bis zu 1000 Stück vorhanden sind und in denen die Zellatmung und somit der hauptsächliche Sauerstoffverbrauch stattfinden.
Intrazelluläre Sauerstoffgradienten sind jedoch allgemein umstritten, da Zellen eine optimale Versorgung mit Sauerstoff gewährleisten müssen. Somit sind weitere Sauerstoffmessungen in Zellen notwendig, um ein genaueres Bild von der Sauerstoffverteilung zu erhalten.

Anwendungen in der Krebsdiagnostik

Neben der Grundlagenforschung könnten die RGB-PEBBLEs auch Anwendungen in der Krebsdiagnostik finden. Nach der so genannten Warburg-Hypothese, die erstmals in den 1920er Jahren formuliert wurde, unterscheiden sich Krebszellen von gesunden Zellen unter anderem durch ihren Stoffwechsel.
Während gesunde Zellen zum Abbau von Zucker über die Atmungskette Sauerstoff verbrauchen und nur bei Sauerstoffmangel den Stoffwechsel-Weg der Milchsäuregärung einschlagen, verwenden Krebszellen – unabhängig von der Verfügbarkeit von Sauerstoff in der Zelle – immer die Milchsäuregärung. Diese Warburg-Hypothese wurde in letzter Zeit weiter untermauert, als man feststellte, dass sich gesunde Zellen von Krebszellen in der Aktivität ihrer Stoffwechselenzyme unterscheiden.
Mit den RGB-PEBBLEs sollte es in der Zukunft möglich sein, gesunde Zellen von Krebszellen anhand ihres intrazellulären Sauerstoffverbrauchs zu differenzieren.

Literatur

[1] X. D. Wang, H. H. Gorris, J. A. Stolwijk, R. J. Meier, D. B. M. Groegel, J. Wegener & O. S. Wolfbeis (2011): Self-referenced RGB colour imaging of intracellular oxygen. Chemical Science 2, im Druck. DOI:10.1039/c0sc00610f
[2] Y. E. K Lee, R. Smith & R. Kopelman (2009): Nanoparticle PEBBLE sensors in live cells and in vivo. Annual Reviews of Analytical Chemistry 2, 57-76.
[3] X. D. Wang, R. J. Meier, M. Link & O. S. Wolfbeis (2010): Photographing oxygen distribution. Angewandte Chemie Int. Ed. 49, 4907-4909.
[4] H. R. Christofk, M. G. Vander Heiden, M. H. Harris, A. Ramanathan, R. E. Gerszten, R. Wei, M. D. Fleming, S. L. Schreiber, & L. C. Cantley (2008): The M2 splice isoform of pyruvate kinase is important for cancer metabolism and tumour growth. Nature 452, 230-234.
* H.-H. Gorris: Universität Regensburg, Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik, 93040 Regensburg

Quelle: www.laborpraxis.vogel.de/ratiometrische-messung-der-intrazellulaeren-sauerstoffverteilung (Dr. Ilka Ottleben)

Translate »